Filmprojekt ‚Baieti ca Brazii – Jungen wie Tannen‘

Hannah Aschenbrenner

„Also mit den Händen und Füßen kann ich jetzt dank den Jungs rumänisch, jetzt muss ich es nur noch sprechen lernen.“

Hans Peter Schuster

“ In Katzendorf ist nichts für die Katz – ganz im Gegenteil: Für mich ist Katzendorf der Begegnungsort wo Poesie, Geist, Witz, Natur und pures Leben zu einer Melange zusammenfinden.“

Lisa Loriene Richter

Sven Terbea

Making-of und Reflexionen über das Projekt

Cata ist ein vielseitiges, kleines, rumänisches Dorf in Transilvanien. Man wird direkt in das Leben gezogen und taucht in das Leben dort ein.

Sonntag, Dorfspaziergang durch Caţa/Katzendorf

Bei einem Spaziergang über die Weide und hindurch des Romadorfes bekamen wir die ersten Eindrücke. Das bunte und lebendige Romadorf fesselte unsere Gedanken. Wir waren ergriffen von Kindern,  die hinter Zäunen standen und uns mit ihren großen Augen anguckten, sie waren teilweise sehr schmutzig, denn fließendes Wasser gab es in dem Dorf nicht. Die bunten Häuser hinter ihnen waren schon sehr heruntergekommen und die Straßen ungepflastert. Man sah in ihren jungen Kinderaugen, wie bereits jetzt das ärmliche Leben an ihnen zehrte.

Einige Kinder liefen aber auch quirlig um uns herum, sie waren neugierig und wollten mit uns kommunizieren und fotografiert werden. Vor der Kamera posten sie wie die Profis. Die Kinder haben eine enorme Ausstrahlung, die einem das Herz erwärmt. Wir fragten uns, was wohl in deren Köpfen vor sich geht. Was haben sie für Wünsche? Was machen sie den ganzen Tag? Uns war sofort klar, dass wir mehr über die Kinder und ihr Leben in dem Zigeunerdorf erfahren wollen.

Wir trafen auf Alexandra, ein 17 jähriges Mädchen aus dem Romadorf, sie gab uns ihren Facebook Kontakt und lud uns in den kommenden Tagen zu sich nach Hause ein.

Nach einem eindrucksvollen ersten Tag verarbeiteten wir unsere ersten Eindrücke und sammelten Ideen für das Projekt.

Montag/Dienstag/Mittwoch, Recherche

In den nächsten Tagen gingen wir noch einmal selbstständig durch das Dorf, um es besser kennenzulernen. Im Romadorf trafen wir auf Rares, er erzählte uns von dem Leben im Romadorf und seinen drei Söhnen: Razvan, Laurenciu und Eduard, die wir gerne filmen und fotografieren dürften. Wir verabredeten uns für den Donnerstag zum Frühstücken und Filmen. Außerdem trafen wir Alexandra wieder. Sie zeigte uns zusammen mit ihren Geschwistern ihr Zuhause und wir verabredeten uns, mit der Einwilligung der Großmutter, für den Freitag zum Frühstücken und Filmen.

Jeden Abend saßen wir mit den anderen Gruppen zusammen und tauschten unsere Ideen aus. Uns wurde gesagt, dass es in Rumänien das Wort: „Verbindlichkeit“ in rumänisch und auch als Eigenschaft im Land nicht gäbe, das wäre Fakt. Es hängt aber immer auch davon ab mit wem man es zu tun hat. Somit mussten wir immer spontan und flexibel mit Absagen oder Nichterscheinen umgehen, da man der Zuverlässigkeit nicht trauen konnte.

Donnerstag, Drehtag 1

Doch die Familie von Zita und Rares war verlässlich. Wir hatten uns um 8.00 Uhr zum Frühstück bei ihnen zuhause verabredet. Wahnsinnig aufgeregt gingen wir mit unserer Kamera (Sony alpha 7 II), dem Tongerät und in der Begleitung von Sven am frühen morgen zu dem Haus von unserer Protagonisten-Familie. Auf dem Weg holten wir noch etwas Saft und Obst, damit wir nicht mit leeren Händen ankamen. Rares ließ uns, nach dem wir doch einige Minuten in Ungewissheit warten mussten, ins Haus und führte uns in die farbenfrohe Küche.

Die drei Jungs lagen noch in ihren Betten. Um erst einmal anzukommen und sich kennenzulernen tranken wir gemeinsam einen leckeren Kaffee, den uns Zita liebevoll zubereitete. Die Eltern erzählten von ihrem Leben als Hausfrau und Tierarzthelfer, sie zeigten uns Fotos von ihrer Hochzeit und Babyfotos der Jungs. Wir verstanden uns auf Anhieb super. Ganz schüchtern tapste einer Bruder nach dem anderen in die Küche und setzte sich verschlafen auf den Schoss von Mama oder Tati (Vater).

In aller Ruhe starteten wir ganz nebenbei unsere Kamera und das Tonaufnahmegerät, es war uns wichtig, dass nichts überstürzt wird und die Jungen sich bedrängt fühlen.

Die Jungs waren inzwischen raus auf den Hof gegangen. Wir waren drinnen ready zum Filmen der Frühstücksszene. Doch nach einer Weile, wo wir auf die Jungs warteten, dass sie sich an den Tisch setzten, stellte sich heraus, dass die Jungs erstmal zum Magazin (Kiosk) gehen mussten, um Milch und Schoko Cornflakes zu holen. Wir mussten lachen, weil wir bereits einige Minuten in der Küche standen und nichts passierte. Nach dem das Frühstück gekauft war, ging es los.

Etwas verhalten aßen die Jungs ihre Cornflakes und verschwanden dann nach schnell wieder nach draußen. Wir folgten ihnen einfach unauffällig und filmten einzelne Situationen auf dem Hof. Im Anschluss nahmen wir die Nahaufnahmen der Kinder und die Interviews auf. Sven fragt die Jungs nach ihren Hobbies und Wünschen. Das Interview verlief allerdings etwas holperig, da es eine sehr gestellte Situation war und die Jungen nicht in ganzen Sätzen antworteten. Daher entschieden wir uns am Ende auch nur für kleine Ausschnitte des Interviews.

Danach wollte Razvan mit seinem Freund David angeln gehen und fragte, ob wir ihn begleiten wollten. Zuerst fuhren wir mit Svens Auto an einen kleinen Bachlauf, wo sie manchmal angelten.

Dann zeigten sie uns eine Wasserbüffelfarm von einem Feld aus, wo sie nebenbei über die Strohballen hüpften und uns lustige Geschichten erzählten. Wir wurden mehr und mehr vertraut miteinander. Es machte riesigen Spaß.

Wir fuhren weiter zu dem richtigen Angelplatz. Die Jungs bauten ihre Angeln auf. Mittlerweile bemerkten sie die Kamera und den großen Tonpuschel gar nicht mehr und verhielten sich ganz natürlich. Sie scherzten und erzählten sich gegenseitig Geschichten, plantschten und sangen Zigeunerlieder.

Am Abend verabredeten wir uns am Ballon, dies ist ein heruntergekommener Kunstrasenplatz, wo die Jungs gern Fußball spielten.

Euphorisch kamen wir nach Hause, doch dort erfuhren wir von Sven, dass wir am nächsten Tag nicht bei Alexandras Familie drehen können, weil die Großmutter ins Krankenhaus müsse. Wir entschieden uns dann einfach noch mal zu den Jungs zu gehen am nächsten Tag.

Freitag, Drehtag

Wieder bereitete uns Zita einen köstlichen Kaffee zu und plötzlich kam Alexandra auf den Hof, sie erzählte, dass sie doch nicht mit ihrer Oma zum Krankenhaus müssten. Somit verabredeten wir uns für später.

An diesem Tag filmten wir unseren geplanten „Dorfwalk“ mit einem Gimbal. Dafür liefen die Jungs vom Anfang des Romadorfes bis zum oberen Ende. Diese Szene bildete unser Grundgerüst für den Film am Ende. Wir hatten geplant, dass alle Kinder die wollen bei dem Walk dabei sein können, auch die Geschwister von Alexandra, doch es stellte sich als sehr problematisch dar, weil die Eltern teilweise nicht wollten, dass die Kinder mit im Bild sind. Auch Alexandras Großmutter erlaubte es nicht. Dies kam uns suspekt vor, weil sie am ersten Tag so euphorisch „Ja“ zu den Dreharbeiten gesagt hatte. Somit filmten wir nur die drei Jungs wie sie durch das Dorf liefen. Ich führte Lisa mit Kamera und Gimbal in der Hand rückwärts durch das Dorf. Danach zeigten die Jungs von einem Berg aus den Wald, erzählten uns Geschichten, wie sie dort einen Bären und einen Wolf gesehen haben.

Am Nachmittag hatten wir Drehfrei, da wir mit der Gruppe zu den 100 jährigen Eichen einen Ausflug machten. Am Abend gingen wir wieder mit den Jungs Fußball spielen, allerdings dieses Mal ohne zu Kamera. Wir wollten die Zeit mit ihnen ohne Kamera genießen.

Samstag, Drehtag

Wir hatten schon viele tolle Aufnahmen gesammelt, doch an dem letzten Drehtag überraschte uns die Familie erneut mit ihren tollen Ideen und bat uns eine Ausfahrt mit der Kutsche in den Wald an. Dies passte perfekt zu den Geschichten, die uns die Jungs erzählt hatten. Mittlerweile war die Kamera und das Tongerät für die Jungs kaum noch spürbar und sie tollten herum und sprangen von umgestürzten Baumstämmen. Sie zeigten uns den Wald aus ihrer Sicht.

Am Abend waren wir zum Grillen bei der Familie. Und genossen auch hier die Zeit ohne Kamera mit der ganzen Familie. Wir aßen, tranken und tanzten viel zusammen. Wir tauchten richtig in deren Leben ein. Von Alexandras Großmutter, die auch mit da war, weil sie eine Verwandte ist, erfuhren wir, dass sie nicht wollte, dass wir bei ihr filmen, weil es ihr peinlich war uns nicht nicht einmal eine Scheibe Brot zum Frühstück anbieten zu können. Wir waren geschockt und machten ihr klar, dass wir ihr nicht böse waren und wenn sie möchte trotzdem nochmal zum Filmen vorbei kommen, wenn sie möchte. Doch sie wollte nicht.

Wir genossen diesen wunderschönen, gemeinsamen Abend.

Sonntag, Cuttingday

Nun hieß es ran ans Material und schneiden. Wir hatten uns bereits einen groben Aufbau überlegt. Lisa begann zu schneiden und ich fing an die Audiodateien zu sortieren und zu beschriften. Viele Audiodateien konnten wir nicht verwenden, da im Hintergrund immer jemand gesprochen oder ein anderes Störgeräusch zu hören war. Das Problem war, dass wir oft spontane Aufnahmen aus dem Moment heraus gemacht hatten und dabei nicht die Zeit war, um für absolute Ruhe im Hintergrund zu sorgen. Zudem war unser ursprünglicher Plan, viele Töne mit Foleys nachzusynchronisieren. Doch dabei stellte sich das zeitliche Problem in den Weg, es war nicht möglich die ganzen Töne nachzustellen. Aber wir lösten das Problem indem wir einige Schnipsel aus den Originaltonaufnahmen zusammen fügten und noch passende Gipsymusik hinzufügten.

Sven hatte eine grandiose Titel-Idee, er erzählte uns von einer rumänischen Geschichte über drei Jungen wie Tannen, dies sagt man zu ganz besonders tollen Jungs. Für diese Geschichte wollten wir eine von den Jungs eingesprochene Tonaufnahme am Ende des Films einfügen, deshalb gingen wir am Nachmittag noch einmal zu den Jungs und ließen sie die Geschichte erzählen. Erst wurde die Geschichte von Razvan, Laurentiu und David  erzählt, doch es war zu chaotisch, weil sie durcheinander sprachen und viel lachten. Wir wollten die Aufnahme allerdings ganz ruhig und deutlich aufnehmen. Razvan, stellte sich dann zur Verfügung und sprach ganz alleine die Geschichte in das Tonaufnahmegerät ein.

Montag, Premiere

Den letzten Feinschliff machten wir Montag früh. Wir hatten an diesem Tag ein Ziel: 15 Uhr Pizzaessen mit unseren Protagonisten in Rupea. Daher zogen wir unser Schnitttempo an und in den letzten Minuten machte Lisa das Colour Grading und ich passte die Audioebenen aneinander an. Pünktlich zum Pizzaessen waren wir fertig.

Wir verbrachten einen unglaublich schönen Tag mit unseren Protagonisten und Sven in Rupea, bis wir abends zur Premiere mit Snacks und Bier auf dem Hof von Frieder Schuller eintrudelten und dann ging es los. Alle waren sehr aufgeregt. Viele Kinder und Erwachsenere aus Cata kamen, was uns sehr erfreut hat.

Die Eltern waren von dem Endprodukt gerührt. Es war alles sehr emotional, wir mussten alle weinen. Nachdem alle nach und nach den Hof verließen und sich alles wieder etwas beruhigt hatte, folgten wir der Einladung von Zita und Rares, noch einmal zum Abschluss auf ihrem Hof zu feiern.

Wir feierten das schönste Abschlussfest mit traditionellen Tänzen, selbstgebranntem Schnaps, Käse und Wurst aus der Region. Ein paar Kommilitonen, Hans-Peter und Robert kamen noch dazu und wir feierten so lange, bis wir zum Bus Richtung Flughafen und Heimat mussten.

Es war eine unvergessliche Zeit!